
KASJOPAJA GEGEN DIE ZEITSPARKASSE
Momo, Zuhören und das kleine Wunder der Langsamkeit
Es gibt Bücher, die begegnen einem nicht nur als Geschichte, sondern fast wie eine alte Freundin. Momo ist für mich genau so ein Buch. Eines, das mich immer ein kleines bisschen weicher macht. Und ein kleines bisschen verträumter. Vielleicht auch ehrlicher.
Ich glaube, was mich an Momo am meisten berührt, ist diese stille Art, wie sie zuhört. Nicht dieses höfliche, halb anwesende Zuhören, das wir so gut gelernt haben, sondern ein echtes Dasein. Ein Bei-der-Sache-Sein. Menschen kommen zu ihr, setzen sich, reden – und merken plötzlich, dass sie sich gehört fühlen. Dass sie sich zeigen dürfen. Dass sie sein dürfen.
Und ganz ehrlich: Ich wäre gern öfter wie Momo. Nicht weil sie etwas Großes leistet oder besonders „stark“ ist, sondern weil sie etwas kann, das in unserer Welt kostbar geworden ist: Zeit verschenken. Raum lassen. Still werden, ohne sich zu verlieren.
Zwischen all dem entfalten sich diese kleinen, fantasievollen Geschichten, die das Buch so wunderbar leicht machen. Kinder, die mit Momo Städte erfinden. Erwachsene, die für einen Moment ihre Sorgen vergessen. Begegnungen, die nicht durch Eile bestimmt sind, sondern durch Neugier und Wärme. Alles fühlt sich ein wenig freier an – als wäre die Welt plötzlich wieder ein Ort, an dem man spielen darf.
Und dann schleichen sich die grauen Herren ein. Mit ihren Aktentaschen und ihren Versprechen von Effizienz. Sie flüstern den Menschen ein, sie müssen Zeit sparen, schneller werden, produktiver leben. Und plötzlich hetzen alle von einem Termin zum nächsten, zählen Minuten, planen sogar das Nichtstun – und merken kaum, wie ihnen das Leben dabei durch die Finger rinnt.
Irgendwie kommt einem das heute erschreckend bekannt vor. Wir optimieren, strukturieren, takten unseren Alltag bis ins Kleinste – und fragen uns trotzdem, warum sich alles manchmal so leer anfühlt. Vielleicht, weil wir vergessen haben, dass Zeit nichts ist, das man kontrolliert. Sondern etwas, das man teilt.
Hier begegnet Momo auf leise Weise auch dem Kleinen Prinzen. Beide erzählen von einer Welt, in der das Wichtigste nicht laut ist, sondern sanft. Von Freundschaft, Aufmerksamkeit und diesem kindlichen Wissen, das nicht aus Logik entsteht, sondern aus Herz und Hingabe. Beide erinnern daran, dass wahre Nähe dort entsteht, wo jemand wirklich hinsieht.
Was ich von Momo lernen möchte? Einfach, öfter mal stehen zu bleiben. Menschen ausreden zu lassen. Gesprächen Raum zu geben. Mich nicht sofort nützlich oder produktiv fühlen zu müssen. Und mir selbst zu erlauben, manchmal einfach nur da zu sein.
Momo ist ein verträumtes Buch, dass uns daran erinnert, einfach mal wieder unsere Fantasie zu benutzen und spielen zu gehen. Und ist das nicht eine wunderbare Lektion die Momo uns mit auf den Weg gibt? – uns daran zu erinnern, wie leicht und schön das Leben sein kann, wenn wir uns wieder trauen, ihm Raum zu geben.